Was wir alleine nicht schaffen, das schaffen wir dann zusammen…
Gänsehaut pur bei diesem Lied. War das herrlich, als bei der Sendung: „Sing meinen Song“ Wolfgang Niedecken dieses Lied gesungen hat. Sofort habe ich das mit Euch verbunden, Ihr Lieben, von der Kinderkrebshilfe! Und solange kennen wir uns jetzt schon. Heute wollen wir einfach mal kurz berichten, was bis dahin passiert ist. Kurz?;) Ok, wir, versuchen es. Wir – das sind immer noch Nils und die Mama, 14 Jahre nach dem schlimmsten Jahr unseres Lebens.
Heute ist Nils 17 Jahre alt! Er hat vor kurzem seinen Führerschein gemacht und ist eifrig dran, Bewerbungen für eine Lehrstelle im nächsten Jahr zu schreiben.
Nils – immer noch mein Sonnenschein! Auch trotz pubertierenden Phasen – wer kennt das nicht;) – immer noch mein Held, bewundernswert, wie leicht er doch Vieles nimmt.
Nach dem Krebs kam das Leben zurück – und nach dem Kindergarten und den vielen logopädischen Stunden kam Nils in eine ganz normale Grundschule. Wir freuten uns sehr, da Nils seit der Krankenhauszeit lange in seiner „eigenen“ Sprache redete. Er fing auch an etwas zu wachsen, was wir nach der hohen Bestrahlung nicht ganz so wussten. Untersuchungen ergaben, dass er keine Wachstumshormone brauchte, obwohl er zu den Kleinsten gehörte. Bis zur sechsten Klasse brauchte der vor Freude sprühende, springende kleine Nils lediglich noch einen Helfer für die Pausen und das Ranzen tragen. Mit vielen Beantragungen verbunden, bekamen wir bis zur sechsten Klasse Hilfe. Zur Erklärung: Nils Becken wurde so hoch bestrahlt, das dieses links nicht mitwächst und sein Bein nur zum Teil.
Zu Hause bekam ich es einigermaßen hin, ihn überallhin zu begleiten. Später schaffte Nils es natürlich selbst auf sich und Stürze aufzupassen. Obwohl die Mama so oft die Luft angehalten hatte, konnte ich mich schnell auf ihn verlassen, besonders an den Tagen, an denen ich arbeiten musste. Die Angst, dass er hinfällt und das Becken kaputt geht musste weichen! Die Schuherhöhung wurde mit den Jahren immer höher, und das Laufen mit diesem hohen Schuh beschwerlich.
Doch: Schlimmer geht immer – egal – Hauptsache, ER bleibt weg – er – der Tumor – Mr Ewing-Sarkom – dem haben wir den Garaus gemacht;)
Regelmäßige Untersuchungen in Gießen waren unsere Begleiter – und die Krankengymnastik zweimal die Woche sehr wichtig. Wie schön, dass Nils mit Andreas nicht nur einen tollen Physiotherapeuten gefunden hatte!;) Bescheidener war es, Orthopäden zu finden, die uns begleiten. Niemand weiß so richtig, was man machen kann. Viele haben uns weggeschickt mit den Worten: Nee, da kann man mal nichts machen – entweder hält das Becken… oder… mmh…
In München fanden wir einen für uns guten Arzt, der zwar keine Zauberlösung hatte, uns aber wenigstens zuhörte, und schaute, wie die Schmerzen sind. Er kontrolliert und vermisst auch bis heute Nils‘ Schiefstellung und bereitet ihn auf eine evtl. OP – eine Beinverlängerung – vor. Durch die Schiefstellung wird die Wirbelsäule krumm, und spätere Bandscheibenvorfälle sind so vorprogrammiert. Doch auch diese OP wird schwierig, das wissen wir seit diesem Jahr. Der Druck bei 6 cm Erhöhung wird zu hoch für die Beckenschaufel. Wir könnten 3 cm versuchen – doch das ist diesmal Nils Entscheidung. Sollte dem Becken was passieren… dann käme wohl der Rollstuhl dran… also: erstmal so – einfach schauen – meint Nils.
Auf Empfehlung werden wir im Januar einen Hüftspezialisten in München besuchen. Es ist wohl sehr schwierig, ein künstliches Becken dort zu befestigen, wo fast nichts mehr ist…
„Es ist so, dass man eine Lampe auch nicht immer dort anbringen kann, wo sie hin sollte – in der Luft kann man nichts aufhängen, Frau Wolf“… hörte ich den Arzt sagen. Doch wer hilft uns später mal? Wer, wenn etwas passiert? Wenn Nils mal fällt? Uns wäre schon wohl dabei, wenn wir wenigstens einen Arzt hätten, der wüsste, was dann ist… Doch wir haben gelernt, abzuwarten. Wir denken, dass irgendwann sich irgendwer irgendwas zur richtigen Zeit einfallen lassen wird.
Nils kommt ohne sportliche Vereine zurecht, auch wenn seine sportliche Ader dabei zu kurz kommt. Immerhin darf und soll er sich jetzt in einem Gesundheitszentrum/Fitnesscenter mit Physiotherapeuten bewegen und Muskeln aufbauen. Seit drei Jahren ist es schwierig, dass er mehr als 2 km ohne Schmerzen läuft, leider wurde auch das Fahrradfahren immer beschwerlicher. Nun fährt er Roller und bald Auto, was doch noch mit Schuherhöhung geht. Es gibt so viel Schlimmeres… Das wissen wir und sind dankbar, dass es noch so läuft. Doch manchmal, wenn es nicht so eindeutig ist, was man hat, bekommt man auch Steine in den Weg gelegt. Wir wollen doch nur einen Arzt, der genau weiß, was er zu machen hat, wenn das Becken nicht mehr hält…
Nach vielen anstrengenden und doch glücklichen Jahren sind wir nach Miltenberg gezogen und genießen den Umgebungswechsel nach der Pflege und leider auch nach dem Tod meiner Eltern, zu denen Nils einen besonders intensiven Kontakt hatte. In der Schule fühlt er sich sehr wohl und macht im nächsten Jahr seinen Abschluss – dann werden wir dorthin ziehen, wo die Ausbildungsstelle sein wird – bzw. in die Nähe, mit Zugverbindung. Vielleicht suchen wir auch lieber gleich eine EG-Wohnung, wenn wir eine finden.
Leider lief es im privaten finanziellen Bereich seit ein paar Jahren nicht so gut, mit meinen seit Nils Krankheit reduzierten Stunden haben wir leider nicht alles geschafft. Besonders die Fahrten zu verschiedensten Ärzten sind fast nicht machbar.
In diesem und im letzten Jahr mussten wir noch nach Würzburg, zwischendurch wurden an beiden Knien Knäule festgestellt, die sich aber zum Glück nach zwei OPs als gutartig erwiesen.
Im letzten Jahr konnte ich nicht mehr. Sie dürfen das nicht falsch verstehen, ich bin so dankbar für alles, was uns Gutes passiert ist – und für die Gesundheit von Nils. Aber irgendwie fingen meine Kräfte nach und nach an zu schrumpfen, die Kraft lässt nach, obwohl lange nicht so viel auf uns lastet, wie früher. Auch wenn die Freude überwiegt, dass der Krebs weg ist, kommen neue Probleme. So sind meine Schwestern krank, zum Teil sehr schwer…
Das Leben ist schön! Aber ohne Hilfe geht es manchmal nicht.
Ich habe mit einem ganz mulmigen Gefühl Euch kontaktiert, erstmal Jutta und Ulli. Zum Teil schämte ich mich, weil ich eigentlich dankbar bin. Doch ich mache es für Nils! Ich brauchte Hilfe, um wieder funktionieren zu können. Es kommt doch noch einiges auf Nils zu. Das Geld für die Fahrten zu den Ärzten, die Pension in Würzburg, die Extrabehandlung im Physiozentrum. Selbst Nils schwirrte öfter der Kopf.
Und nun – Ihr Lieben – seit einem Jahr bekommen wir wieder Unterstützung von Euch: seelisch, finanziell und freundschaftlich. Wir sind Euch so dankbar, in der Hoffnung, dass alles irgendwann mal mehr als schön ist – indem wir sagen. GESCHAFFT! Und wir Euch etwas zurückgeben können in Dankbarkeit dafür, dass uns doch wieder etwas Last von den Schultern genommen wurde!!!
An alle Helfer und Spender – an alle Menschen: Selbst mit einer kleinen Spende helfen Sie mehr, als Sie vielleicht denken!!!
Sie werden Teil von unserem Leben!
WIR nehmen es uns heraus, im Namen aller Eltern und aller Kinder, denen es sehr viel schlechter geht als uns, im Namen aller, die mit in diesem Boot sitzen und gerade noch kämpfen – Euch zu danken! Von ganzem, ganzem, ganzem Herzen. Wir können nur erahnen, mit welchem Arbeits- und Organisationseinsatz Ihr für uns gerade steht, Jahr für Jahr, und die vielen Stunden, die Ihr einfach für
uns einsetzt! Ihr bleibt für immer in unseren Herzen!!!
Und dir, lieber Nils, danke ich sehr, dass du mit deinen gesundheitlichen Einschränkungen auch zu mir gestanden hast, besonders zu dir stehst – so, wie du bist! Dass du so früh selbstständig geworden bist, damit ich arbeiten gehen konnte und dass du mit wenig Geld, manchen Sorgen und doch auch sehr vielen glücklichen und lustigen Momenten zufrieden bist und das Leben rockst!
Und Euch kleinen Menschen, die Ihr so schwer kämpfen müsst – haltet durch…
Kerstin Wolf